Was ist Holotropes Atmen?
Das Holotrope Atmen (Grof® Breathwork) ist eine erfahrungsorientierte Methode der Selbsterforschung und Psychotherapie. Sie wurde von Stanislav Grof und seiner verstorbenen Frau Christina Grof Mitte der 1970er Jahre am Esalen-Institut in Big Sur, Kalifornien, entwickelt, inspiriert durch Erfahrungen mit psychedelika-assistierter Therapie (v. a. mit LSD), nachdem diese verboden worden war. Das Holotrope Atmen ist damit eine nicht-pharmokologische Methode für bewusstseinserweiterte Selbsterfahrung und Therapie. Mit diesem Ansatz können tiefe holotrope Bewusstseinszustände induziert werden durch eine Kombination von einfachen Mitteln – beschleunigte Atmung, evokative Musik und Körperarbeit.
Das Holotrope Atmen bedient sich in der Praxis und Theorie aus verschiedenen Elementen der modernen Bewusstseinsforschung, der Tiefenpsychologie, der transpersonalen Psychologie, den spirituellen Lehren des Ostens sowie traditionellen Heilmethoden.
Auf diesen Seiten erfahren Sie mehr über die Methoden, das Setting und die Elemente des Holotropen Atmens. Die Informationen auf dieser Seite finden Sie teilweise in ausführlicherer Version auf den Websiten unserer Partnerinstitute oder in Büchern von Stanislav Grof (z. B. Der Weg des Psychonauten – Enzyklopädie für Reisen in innere Welten).
Hier finden Sie weitere Informationen über das Holotrope Atmen
Der Prozess – Erfahrungsebene
Der Prozess – Erfahrungsebene
Die Erfahrungsebene beim holotropen Atmen ist vielschichtig.
Die Atmenden können Erfahrungen auf der personalen / psychodynamischen, präpersonalen, transpersonalen und der spirituellen Ebene erleben. Das Spektrum der Erfahrungen reicht von allgemeinen biografischen Erfahrungen bis zu transzendenten Einheits-Erfahrungen.
Hier ein paar Beispiele an Erfahrungsmöglichkeiten beim Holotropen Atmen:
- Auflösen von Körperblockaden
- Erkenntnisse eigener Beziehungsmuster
- Konfrontation mit den eigenen Schattenaspekten
- Wiedererleben von Traumata
- Existenzielle Erfahrungen wie z. B. Tod, Beziehung, Krankheit etc.
- Tod und Wiedergeburt, Geburtserfahrungen, Egotod-Phänomene
- Transzendenz von Körper, Raum und Zeit
- Schamanische Initiationen
- Kundalinierfahrungen
- Verbale Phänomene
- Reinigung und Heilung durch subtile Kräfte
- Erfahrungen mit fremden Kulturen
- Lichterlebnisse
- Innere Schau der Lebenszusammenhänge (Lebenssinn) und spirituellen Gesetzmäßigkeiten
Der Atem
Der Atem wurde und wird seit jeher für religiöse und heilende Zwecke bewusst eingesetzt. Dies ist in vielen Kulturen der Welt zu finden; der Atem als wesentliches Bindeglied zwischen dem menschlichen Körper, Geist und der Seele und der materiellen Welt. Der Atem hilft uns seelische Abwehrmechanismen zu lockern, um so in holotrope Bewusstseinszustände zu gelangen. Stanislav Grof und andere experimentierten im Rahmen eines einmonatigen Seminars in Esalen mit verschiedenen Atemtechniken / Ansätzen. Sie kamen zu dem Schluss, das es ausreichend sei, tiefer und schneller zu atmen und sich dabei auf den inneren Prozess zu konzentrieren, der inneren Heilungsintelligenz und den inneren Hinweisen zu folgen. Wichtig ist es zu Beginn willentlich tiefer und schneller zu atmen als gewöhnlich, sodass sich das Ein- und Ausatmen zu einem kontinuierlichen Atemkreislauf verbindet, bis der oder die Atmende im Lauf des Prozesses seinen / ihren eigenen Rhythmus und seine / ihre eigene Art zu atmen findet.
Ablauf einer Atemsitzung
Das Holotrope Atmen findet in der Gruppe statt. Zu Beginn des Seminars werden Paare gebildet, somit hat jeder die Möglichkeit die Erfahrung des / der Atmenden und des /der Begleitenden (Sitter) zu machen. Vor Beginn des Atemprozesses wird der Raum vorbereitet und jeder Atmende bereitet seinen Platz mit Matten, Decken, Kissen etc. vor. Zu Beginn der Atemsitzung, wenn die Atmenden schon mit geschlossenen Augen auf ihrer Matte liegen, wird eine Entspannungsübung durchgeführt. Dies hilft, den Alltag und Gedanken loszulassen und sich leichter zu öffnen. Am Ende der Entspannungsübung werden die Atmenden aufgefordert tiefer und schneller als gewöhnlich zu atmen und alles zuzulassen, was sich an Bildern, Körpergefühlen, Bewegungen und Tönen zeigt. Die Sitzung wird von Musik begleitet und, wenn nötig, Körperarbeit. Freies Malen und ein Gruppen-Sharing unterstützen die Integration der Erfahrung. Eine Atemsitzung dauert zwischen drei bis fünf Stunden.
Die Atmerin / der Atmer
Der oder die Atmende liegt auf einer Matte und folgt über die Atemsitzung seinen innerenen Bildern oder Körpergefühlen. Die Augen sind dabei geschlossen (gegebenenfalls mit Augenmaske). Dies hilft, die Aufmerksamkeit wirklich nach innen zu lenken. Der Atem ist der Motor der Erfahrung; zu Beginn ist es wichtig tiefer und schneller zu atmen als gewöhnlich, um in den Prozess einzutauchen.
Der Sitter / die Sitterin
Der Sitter oder die Sitterin ist für den Atmenden die Verbindung zur Aussenwelt. Dieser hat die Aufgabe, darauf zu achten, dass sich der / die Atmende sicher fühlen kann. Der Sitter ist präsent bei seinem/r Atmenden und verfolgt den Atemprozess achtsam mit. Er / sie ist präsent, wenn der Atmende Unterstützung oder nährenden Beistand braucht. Die Rolle als Sitter (das Dienen / Helfen) wird oft als positive ergänzende Erfahrung zum eigenen Atemprozess erlebt. Der / die Sitter hat in seinem / ihrem Prozess jederzeit die Unterstützung der Gruppenleitung.
Musik
Auch die Musik wurde und wird seit jeher für rituelle und spirituelle Bräuche / Riten eingesetzt. Klang ist dafür bekannt, dass er die emotionale, psychosomatische und körperliche Gesundheit erhalten, verbessern und wiederherstellen kann. Das Holotrope Atmen kombiniert den Atem mit evokativer Musik. Diese Kombination hat eine aktivierende Wirkung auf die Psyche und eine bewusstseinserweiternde Kraft.
Folgende Funktionen hat die Musik bei den holotropen Atemsitzungen:
- Die kontinuierliche Musik wird zu einem tragenden Element, die den Atmenden hilft sich hinzugeben, loszulassen und zuzulassen, was sich während der Erfahrung zeigen möchte.
- Sie schafft einen sinnvollen Rahmen für die Erfahrung. Sie intensiviert und vertieft den Heilungsprozess und öffnet das Tor zum Unterbewussten.
- Sie kann den Zugang zu verdrängten Erinnerungen und ihren damit verbundenen Emotionen vereinfachen und den damit einhergehenden Ausdruck erleichtern.
- Zudem hilft die Musik dabei in den eigenen Ausdruck zu gehen, da sie die Geräusche kaschiert / schluckt.
Körperarbeit
Jede Atemsitzung ist einmalig. Körperliche und emotionale Reaktionen hängen individuell vom Atmenden und seiner / ihrer momentanen Situation ab. Oft führt das schnellere Atmen zu mehr oder weniger intensiven psychosomatische Reaktionen. Es kann zu Krämpfen in den Händen und Füssen kommen, eine sogenannte Tetanie und Karpopedalspamen. Stanislav Grof hat inzwischen mehr als 40’000 Atemsitzungen durchgeführt und festgestellt, dass das schnellere Atmen über mehrere Stunden nicht zu einem Anstieg der Spannungen führt, sondern zu einer fortschreitenden Entspannung. Auch kann man sagen, dass die Intensität von körperlichen und emotionalen Reaktionen mit der Anzahl der Sitzungen tendenziell abnimmt.
Nach oder auch während einer Atemsitzung kann es zu intensiven Spannungen im Körper oder auch starken Emotionen kommen. Körperarbeit kann helfen, verbliebene bioenergetische und emotionale Blockaden zu lösen. Dafür wird von den Workshop-Leitern eine individuelle und spezifische Körperarbeit angeboten, um die Energie wieder ins Fliessen zu bringen oder auch um zu einen runderen Abschluss der Sitzung zu kommen. Der / die Atmende bringt seine Aufmerksamkeit zu der Spannung im Körper und intensiviert diese mit dem Atem. Der Facilitator hilft mittels äusserer Interventionen (z. B. Druck mit der Hand) diese Gefühle / Spannungen zu intensivieren und einen Ausdruck und Entladung zu unterstützen. Oft kann dies zu einer unerwarteten Reaktion führen wie z. B. in Form von Gebrabbel, Schreien, Babysprache, Tierstimmen, heftigem Zittern, Zucken, Husten, usw. In der Regel stellt sich danach ein angenehmes, gelöstes und entspanntes Körpergefühl ein.
Eine weitere Form der Körperarbeit kann ein unterstützender und nährender Körperkontakt sein wie z. B. gehalten werden oder eine Hand gereicht bekommen. Dafür wird immer die Zustimmung des Atmenden eingeholt.
Integratives Malen (“Mandala-Malen”)
Mandala bedeutet im Sanskrit “Kreis” oder “Vollendung”. Am Ende einer Atemsitzung wird der / die Atmende eingeladen seine / ihre Erfahrung zu malen. Hierbei gibt es keine spezielle Methode, es erfordert kein besonderes Talent. Vielmehr geht es darum die eigene Erfahrung nonverbal auszudrücken. Manche Menschen malen einfach darauf los und lassen sich von Farbe und Stift inspirieren, andere malen Visionen oder verschiedenen Sequenzen in Form eines Reiseberichts ihrer Erfahrung. Mit dem Malen rundet sich meist auch die Atemerfahrung ab.
Das Malen dient der Integration. Es empfiehlt sich, den Namen und das Datum auf das Papier zu schreiben und das Bild für eine Weile an einem Ort aufzuhängen, wo es immer wieder gesehen wird; als Brücke zur Erfahrung.
Sharing
Beim Sharing (aus dem englischen „share“ = “teilen” / „teilnehmen“) geht es darum, seine Erfahrung in der Gruppe zu teilen. Hier werden die Teilnehmenden eingeladen, offen, ehrlich und aus dem Herzen über ihre Erfahrung zu sprechen. Die Offenheit jedes einzelnen ermutigt die anderen Teilnehmenden dasselbe zu tun. Dies vertieft und beschleunigt den therapeutischen Prozess. Die Facilitatoren wie auch die Gruppe verzichten auf Interpretationen; diese können den Prozess blockieren. Interaktionen sind jedoch möglich. Das Sharing bietet den Raum, den Prozess zu vertiefen und zu klären, je nach (therapeutischem) Hintergrund der Gruppenleitung können weitere integrative Methoden im Sharing integriert werden. Das Sharing ist ein wesentlicher Teil des Holotropen Atmens. Oft lösen sich Prozesse, die nach der Atemsitzung noch offen sind, im Sharing.
Integration
Nach der tiefen Erfahrung der Atemsitzung kann die Integration mit einer Vielzahl ergänzender Methoden erleichtert werden.
Dazu gehören Gespräche mit einem erfahrenen Facilitator, das Malen weiterer Mandalas, Meditation, Zeit in der Natur, Yoga, Thai Chi, Tanzen und Bewegung / Sport wie z. B. Schwimmen, Joggen etc.
Qualitätsmerkmale (nach Grof, 2020)
GROF® Breathwork, welches das Grof ® Legacy repräsentiert, basiert auf der Entfaltung der inneren Heilungsintelligenz in den Teilnehmern; die Facilitatoren lernen, diesen Prozess zu unterstützen, ohne den Menschen ihre eigenen Vorstellungen von Heilung aufzuzwingen.
Die Atemsitzungen werden idealerweise mit offenem Ende durchgeführt, um die natürliche Vollendung des Prozesses des Atmenden zu ermöglichen.
Musik, die die holotrope Atemarbeit unterstützt, sollte so natürlich, spirituell und ursprünglich wie möglich bleiben; schwere elektronische oder Techno-Musik sollte vermieden werden.
Idealerweise sollte die Musik so lange laufen, wie sich Menschen im Prozess im Raum befinden; harmonische, meditative Musik am Ende der Sitzung ist ein wichtiger Teil des Heilungsprozesses, der nicht abgeschnitten werden sollte.
Die Körperarbeit sollte die natürliche Entfaltung der inneren Heilenergie unterstützen, vor allem am Ende einer Sitzung (aber auch während der Sitzung, wenn nötig).
Sprechen während der Atemsitzungen sollte vermieden werden, ausser um notwendige Informationen über den Prozess und die Körperarbeit auszutauschen.
Die Körperarbeit am Ende der Sitzung sollte so lange fortgesetzt werden, bis sich der Atmende für diese Sitzung so vollständig wie möglich fühlt.
Das Format und der Stil der Atemsitzungen, wie sie von Stan und Christina Grof entwickelt wurden, sollten beibehalten werden (keine Online-Atemarbeit).
Der Austausch nach den Sitzungen soll genügend Zeit bieten, damit die Atmenden so viel wie möglich und nötig über ihre Erfahrungen sprechen können.
Die Workshop-Leiter und die Teilnehmer können unterstützende Fragen stellen, die helfen, die Erfahrung zu vertiefen. Letztendlich gehört dem Atmer die Wahrheit über seine Erfahrung.
Ausserhalb der Atemsitzungen und des Austauschs der Erfahrungen kann die Arbeit mit verschiedenen Formen der Selbstexploration zur Vertiefung der Integration kombiniert werden. Diese Bestandteile eines Workshops oder Programms sollten gesondert benannt werden, z. B. Malen, Tanzen, Sandspiel, Gestalttherapie, Familienaufstellung, Astrologie usw. Wenn solche zusätzlichen Erfahrungen Teil eines Workshops oder Programms sind, bleibt es wichtig, den Erfahrungen anderer Menschen keine Interpretationen aufzudrängen. Es ist wichtig, die Autorität über den Wahrheitsgehalt der Erfahrung dem / der Atmenden zu überlassen.
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